von Arthur Fata
Bildhauer, Zimbabwe
Springstone, zweiteilig, 118 x 41 x 47m, ca. 170 kg
Provenienz:
The Gallery Shona Sculpture,
Chapungu Sculpture Garden,
Harare, Zimbabwe 1994
„I wish I could carve a huge sculpture, but this would take a lot of money. I am looking for a mountain.“ Was der Bildhauer Arthur Fata ersehnt, ist nichts anderes, als der Traum von einem Monument, am besten einem Berg, den er mit seinen Händen eine neue Sicht geben will. Das „Fossil“ ist die Vorstufe zu diesem Werk. Die Idee, die Kräfte der Natur selber zum Vorschein zu bringen. Arthur Fata fühlt, dass er Teil der Natur ist; er kämpft mit ihr, doch es geht ihm nicht um Bezwingen. Er will sie uns nicht abspenstig machen, sondern eine Ahnung geben von ihrer Größe, die unabhängig vor der Menschheitsgeschichte und nach ihr existiert. Ein Fossil ragt in die Gegenwart, es ist präsent wie seine steingewordenen Pferde, die aus dem Nichts in den Himmel fliegen oder sein Elefantenfuß mit Rüssel, der unübersehbar an den Raubbau erinnert, den die Zivilisation mit der Natur betreibt. Das Fossil lässt sich nicht auslöschen. Es lässt sich aus unserem Kopf verdrängen, aber untergründig erfasst es den Menschen bis in seinen Gang, seine Machtgelüste, sein Verhalten.
Balancing Rock, Zimbabwe, 1971
Mit kräftiger Hand hat der Künstler seine Vorzeitkreatur geschaffen. Im Unterschied zu anderen Bildhauern aus Simbabwe lässt Arthur Fata den Stein im Rohzustand. Weder poliert er ihn noch ölt er ihn ein. Im Gegenteil, an manchen Stellen – so auf dem Scheitel – schaut die Oberfläche des verwitterten Urgesteins hervor und betont auf diese Weise den Symbolgehalt der Skulptur. Im „Fossil“ entdeckt der Künstler Formen ausgestorbenen Lebens. Es ist, als habe das Steinmassiv des Great Dyke einen Fund freigegeben. Irgendwo steckt das Rudiment eines Körpers im Fels, ein Mischwesen aus der Urzeit.
Unweit entfernt findet sich der Kopf. Das Bildhauerauge „sieht“ Ansätze von drei Flossen, die dem Untier die zügige Fortbewegung im Wasser ermöglichten, vermutlich Vorstufen einer Entwicklung zu Gliedmaßen oder Flügeln. Auf der gegenüberliegenden Seite kragen zwei Stümpfe hervor. Sie verleihen dem Geschöpf etwas Einmaliges, bringt doch sonst die Natur zumeist Gleichmaß und Harmonie hervor. Ihre Funktion bleibt rätselhaft, sieht man davon ab, dass sie darin zu bestehen scheint, einen Spannungsausgleich zwischen der einen Körperseite und der anderen zu schaffen.
Das Rückgrat hat der Künstler freigelegt, das Innere nach außen. Was verborgen sein sollte, ist jetzt offen und damit umso grausamer. Die Natur liegt widernatürlich enthäutet vor unseren Sehwerkzeugen. Forschernatur gegen ursprüngliche Natur. Zeichen für die Unersättlichkeit menschlichen Wissensdrangs und gleichzeitig Hinweis auf dessen Armseligkeit.
Der „Kopf“ des Urgetüms ist fast so mächtig wie der Körper. Das aufgesperrte Maul flößt Angst ein, als könne es selbst noch als Stein alles, was sich ihm nähert, verschlingen. Ein Schmiss in der Stirn, eingekerbt mit einer Motorsäge, steigert das Bedrohliche. Augenlos wirkt das „Fossil“ wie eine fremde Art aus einem Horrorfilm, die aus den Fluten des Meeres oder aus den Abwässern eines dunklen Kanals entsprungen sein könnte. Vier, fünf Zacken auf dem Kopf verstärken den unheimlichen Charakter dieser Spezies. Nachts bevölkern solche Wesen mitunter unsere Träume. Sie sind dann greifbar nahe, um, wenn wir plötzlich erwachen, weit, weit weg von jeglicher Realität zu sein. Offenbar haben wir Schwierigkeiten, die Traumwelt mit ihren teilweise schrecklichen Bildern an uns heranzulassen. Gleichwohl mahnt das „Fossil“, dass diese Wirklichkeit Teil des Unbewussten ist, dessen Dynamik in den unterschiedlichsten Situationen zur Geltung kommen kann. Arthur Fata zeigt mit der Skulptur, dass in unserer Welt Mächte wirksam sind, mit denen wir uns ungern konfrontieren, die dennoch unsere ganze Aufmerksamkeit verdienen, da sie zweifellos zur Menschennatur gehören.
Text und Bilder: Michael Drechsler © Kunst Transit Berlin