"The Sacred Bird", 1989
John Obaso Diang'a, "The Sacred Bird", 1988
|
"The Sacred Bird", 1989
Bildhauer und Maler aus Kenia
Dreifarbiger Linolschnitt/Papier (1/15), 32 x 26 cm
Kunststoffrahmen/Glas/Passepartout 60,5 x50,5 cm
Provenienz: Gallery Watatu, Nairobi, Kenia 1989
Vogelbeobachtung
Mansu freute sich so auf die vierte Stunde. Sie würden wieder alle mit ihrem Lehrer Manuta Tei zum nahegelegenen Wäldchen gehen und Vögel beobachten und deren Verhalten erforschen.
Der große grüne Greif, Mansu hoffte, dass er ihn auch heute sichten und seinem eleganten Flug folgen würde. Das orange-weiß-grün gemusterte Gefieder und die leuchtend orangenen Krallen, nie vorher hatte er solch erhabene Schönheit gesehen. Die ausladenden Schwingen trugen den Vogel, wohin er wollte. Ja, eine Aura der Macht umgab ihn, wie er von null auf hundert in die Luft startete und seinen trüb-verächtlichen Blick kreisen ließ.
Die anderen Jungs interessierten sich für Holzschnitzereien oder das Anpflanzen von Mais und Gerste. Sie belächelten Mansu. Das machte ihm nichts. Nur er kannte das Geheimnis, so fühlte er sich überlegen.
Der sonderbare Vogel sprach zu ihm. Und ja, er konnte ihn verstehen.
„Wenn deine Zeit gekommen ist… und das wirst du spüren, dann gehe zum Waldrand, suche mich, setz dich auf meinen Rücken und ich werde dir dein Land zeigen, das du ab dann regieren wirst. Die Menschen sollen wieder in Frieden leben, du wirst sie auf dem Weg dorthin begleiten.“
Mansu reckte sich. Seine Augen glänzten.
Am Ende der vierten Stunde hatte er Gewissheit. Sie hatten sich wiedergesehen, wiedererkannt. Magisch voneinander angezogen stolzierte Mansu in den Wald, tapfer, mutig.
Er fürchtete nichts mehr.
Gitta Schierenbeck
Gitta Schierenbeck ist Lehrbeauftragte im Masterstudiengang Biografisches und Kreatives
Schreiben der ASH Berlin sowie freiberufliche Lektorin am Institut für Kreatives Schreiben Berlin. Die Autorin hat auch die Texte zu den Kunstwerken "L'Heure du Diner" von Theodore Dakpogan und "Home Breaker" von Sane Wadu verfasst.