"Licht", 1982

von Ouhi Cha

Acryl/Lw: 155 x 94,5 cm
Holzrahmen: 157 x 96,5 cm
Provenienz: Ouhi Cha, Berlin, 1983

Ausstellung: Künstlerhaus Bethanien, 1982/83


In allen weißen Dingen werde ich dich spüren und für dich weiteratmen.
Han Kang

 

Einmal,
da hörte ich ihn,
da wusch er die Welt,
ungesehn, nachtlang,
wirklich.

Eins und Unendlich,
vernichtet,
ichten.

 Licht war. Rettung

Paul Celan

 

Leere und Präsenz

Ende der 1990-er Jahre besuche ich Ouhi Cha zum ersten Mal in ihrem Berliner Atelier und bin fasziniert, wie hier Raum, Licht und Farbe miteinander verschmelzen, als sei die Arbeitsstätte selbst schon eine künstlerische Installation. Im hinteren Bereich stapeln sich hunderte weiß gestrichene Segeltücher auf weißen Holzkisten, die den großflächigen Raum strukturieren und lichten. Zu dieser Zeit arbeitet die Malerin an dreidimensionalen Objekten. Für die Formgebung nutzt sie Relikte aus zurückliegenden Installationen wie Segeltuchreste, übrig gebliebene Seile und Holzabfälle. Es sind biografische Fundstücke, denn in jedem einzelnen Gegenstand, den sie „Wesen“ nennt, stecken persönliche Geschichten und Erinnerungen. Wegwerfen bedeutet für Cha deshalb auch in einem doppelten Sinn „Verlust der Daseinsberechtigung“. Aus diesem Bewusstsein und voller aktueller Ideen, gibt sie den spürbar gealterten Dingen wieder neues Leben. Unter konsequentem Einsatz der Farben Weiß und Schwarz gestaltet sie auch in den Folgejahren eine Anzahl formverwandter ‚objets trouvés‘ und gibt ihnen den Titel "Le voix de la mémoire - Die Stimme des Gedächtnisses".

Weiß und Schwarz sind für Ouhi Cha die Farben, die sie auf der Suche nach der malerischen Essenz bis heute nicht mehr losgelassen haben. Keine anderen Farben erzeugen ähnlich radikale Kontraste wie diese Gegenspielerinnen. In religiösen und literarischen Texten, in der Lyrik wie in der Bildkunst, stehen sie in der westlichen Welt lange als herrschende Metaphern für Gut und Böse, Hoffnung und Angst, Leben und Tod und zeugen vom Kampf des Lichts, vielfach als Symbol des Göttlichen gegen die Finsternis. Ouhi Cha, die tief in der buddhistischen und taoistischen Kultur ihres Heimatlandes Korea verwurzelt ist und das Konzept der Versöhnung der Gegensätze verinnerlicht hat, war und ist davon angetrieben, verbindende Elemente dieser dialektischen Grunderfahrung künstlerisch herauszuarbeiten. Diese Haltung kündigt sich bereits in den frühen 1980-er Jahren mit ihrem Gemälde Licht an.

"Licht, 1982