von John Yoga
ca. 135000 Glasperlen/Lw., 77,5 x 47,7 cm
Holzrahmen, 81,3 x 51 cm
Provenienz: John Yoga, Eldoret, Kenia 1989
Preis: 1300 €
And the bead goes on: Zum Glasperlenspiel von John Yoga
John Yogas Glasperlenarbeiten, strahlend, kontrastreich und in Bewegung, verströmen Energie und Lebendigkeit. Schnell versinkt und verliert man sich in seine farbenprächtige gläserne Welt, die er durch unwirklich erscheinende Figuren dramatisch erhöht.
Schon seit der Frühzeit besitzen Glasperlen auf dem
afrikanischen Kontinent einen hohen Stellenwert, haben Menschen und Mächte
miteinander verbunden und spielen bis heute eine wichtige Rolle in sozialen,
rituellen und gestalterischen Kontexten.[1]
Yogas Interesse für Perlen
entsteht zunächst aus einer persönlichen Not. 1980 als freier Maler aus dem
repressiven Uganda nach Kenia geflüchtet, verfügt er auch dort meist nicht über
genügend Malmittel wie Acrylfarbe und Pinsel. Zeitgleich treibt ihn der Wille,
sein bisheriges Feld der Malerei zu erweitern und er beginnt, mit den allseits
verfügbaren beads zu experimentieren.
Ausgehend von einem Thema und auf der Suche nach Abstraktion,
entwirft Yoga für seine beadworks zunächst vorbereitende Skizzen, die viel Raum
lassen für das zufällige Spiel mit Form und Farbe. Während des Bildaufbaus sind
Grundformen von Kreis, Dreieck und Rechteck bereits angelegt. Wenn er dann in
einem langen Prozess abertausende Perlen auf die Leinwand „pierct“, ist das
Bildresultat häufig immer noch in der Schwebe.
Dem Oval rechts gibt Yoga durch einen schwarzen, rundum gezogenen Konturbogen Spannung, gefolgt von Perlen mittelblauer und blau-weiß changierender Farbigkeit. Zum Innern hin umschließt ein Element aus leuchtendem Rot einen weißen Kreis mit roter und schwarzer Rahmung, der ebenfalls als Auge aufgefasst werden kann. Aus dem Kopfprofil stoßen zwei blaue Dreiecke heraus und verschmelzen zackenartig mit der sich anliegenden weißen Form. Darin schwebt in hartem Kontrast zum Weiß ein schwarzer (Augen)-Kreis. Verbindet man diese drei Eyecatcher miteinander, entsteht eine Pendelbewegung, die über den Faktor Zeit unterschiedliche Blickrichtungen andeutet. Folgt man jedoch zunächst dem linken nach unten gerichteten Auge, so führt uns der Blickwechsel über eine dynamische Wegstrecke weiterer Kreisformen in das untere Bilddrittel.
Über Yogas Zentralmotiv - die Hand - kommt weitere Bewegung in die Komposition. In allen spielerischen Variationen durchbrechen stilisierte Hände rhythmisch die Bildfläche, streben an den Bildrand oder weisen über ihn hinaus: Ausgreifend, abwehrend oder miteinander verbunden, vertikal, horizontal, in warmen und in kalten Farbtönen motivieren sie sieben Mal eine Folgehandlung. Par exellence steht die Hand als aktives und hochsensibles Organ für das Ineinander von Fühlen und Denken und bestimmt durchgehend auch Yogas Gemälde und Holzschnitte. Manchmal ähnelt die Hand als ausgreifendes Werkzeug einer landwirtschaftlichen Hacke oder einem Kamm, und es wäre eingehender zu prüfen, ob diese Analogie beabsichtigt ist. (4)
The Powers of Wayengi ruft eine Fülle von Gesamteindrücken und Ansprechhaltungen hervor und erweist sich in der Reflektion nicht zuletzt als ein Schlüsselmedium für unsere Wahrnehmung. Es scheint als habe Yoga in der Rückschau auf die Wayengi Schöpfer-Göttin die Ordnung des Kosmos gründlich durcheinandergerüttelt. Fast alle Formen platziert er in einen engen Bildraum und führt in „filmischen“ Übergängen die Darstellung der Geschichte zu einer verdichteten Essenz. Die leuchtenden Farben der Glasperlen verstärken die sinnliche und emotionale Kraft des Werks und lassen uns vielleicht die Welt mit anderen Augen sehen. And the bead goes on (5)...
Ralph Ziman, The Casspir Project, SPOEK 1 (Detail), beads on military vehicle 1:54, Contemporary African Art Fair, Redhook New York 2018. Photo: © Carin Drechsler-Marx
Autorin: Angelika Sommer
[1] Vgl. Mercy Mwihaki Nguru/Samuel Mwituria
Maina, Social-Cultural Impact of Bead work
in East Africa, International Journal of Innovative
Research and Development 9(7):
87-94; Dorah Kasozi, Beads
Aesthetics in Uganda: https://www.researchgate.net/publication/377148354_CHAPTER_11_Beads_Aesthetics_in_Uganda_The_Dialogue_between_the_Past_and_the_Present_to_Imagine_the_Future; Ulf Vierke: Die Spur der Glasperlen - Akteure, Strukturen
und Wandel im europäisch-ostafrikanischen Handel mit Glasperlen, Bayreuth
African Studies Online No 4 (June 2006)
[2]
Der ausführliche Text unter: https://woyingi.wordpress.com/about-woyingi/an-ijaw-story-journey-to-the-presence-of-woyingi/ Der Wayengi (Woyengi oder Woyingi) -
Mythos ist bei den matrilinearen Ijo (Ijaw oder Izon) in Nigeria verankert und
wird heute über die Landesgrenzen hinaus, auch als Schauspiel aufgeführt. Vgl. Isidore
Okpewho, Poetry and Pattern: Structual Analysis of an Ijo Creation Myth,
1979. https://doi.org/10.2307/539417
Zur Deutung der Frauenrollen vgl. Uzobo,
Endurance & Ogbanga, Mina & Jack, Jackson. (2014). THE IMPLICATIONS OF THE
FEMINIZATION OF GOD AMONG THE IJAW PEOPLE OF NIGERIA. African Journal of Social
Sciences. 4. 99-108. https://www.researchgate.net/publication/313361641_THE_IMPLICATIONS_OF_THE_FEMINIZATION_OF_GOD_AMONG_THE_IJAW_PEOPLE_OF_NIGERIA
[3] Dieses
Zitat sowie Angaben zu den künstlerischen Verfahren sind dem O-Ton-Interview
von Michael Drechsler mit John Yoga vom 7.3.1988 sowie späteren Gesprächsniederschriften
entnommen.
[4]
Dies wäre insofern von Bedeutung, als
dass in den 1980er Jahren während der Landwirtschaftskrise in Uganda das
Zeichen der Hacke als Kritik am Regime benutzt wurde. Auch der Kamm findet -
als traditionelles Motiv wie auch seit den 1960er Jahren als Freiheitszeichen
mit geballter Faust - Eingang in die Künste und spielt bis heute eine
herausragende Rolle (s. Performance „Symphony of Combs“, 2019, im Haus der
Kulturen der Welt, Berlin im Rahmen des gleichnamigen Vortrags von Fred Moten,
abrufbar in der Mediathek des HKW)
[5] mit Perlen
arbeiten heute Künstlerinnen und Künstler wie z. B. Beya Gille Gacha, Kamerun;
Sanaa Gateja, Uganda; Ralph Ziman, Südafrika/USA (s.u.) oder Kori Newkirk, USA