von Munya Victor Madzima (King of Spoon)
Bildhauer, Simbabwe / England
Black Serpentine, Holz, 50 x 17 x 13 cm
Provenienz: Munya Victor Madzima, Harare, Zimbabwe 1996
Steinzeitdelikatessen
„... Und
hier sehen Sie ein besonders interessantes Exponat aus der Jungsteinzeit.
Bitte nicht berühren. Es handelt sich bei dieser Skulptur um einen
versteinerten Wisentpenis, der mehrfach abgebunden wurde. (Bondage würde man
heute sagen.) Abgebunden und eingebunden in zwei Wollmammutschamlippen. Am
oberen Ende der Plastik fixiert ein Knochen Erektion und Vulva. Ein Stück der
männlichen Scham bildet den Sockel des Objekts.
Bei diesem Artefakt handelt es sich nicht etwa um eine ausgedachte Formation. Nein, wie wir mittlerweile aus gesicherter Quelle wissen, imitiert dieses Gebilde den grausam inszenierten Geschlechtsakt der beiden Urviecher, die in einem Ritual von ihren Peinigern gequält und schließlich getötet wurden. Dies half den ersten sesshaft gewordenen Bauern ihre sadistischen Phantasien auszuleben. Zudem stand am Ende des Aktes eine deliziöse Schlachterplatte. Die sogenannte Wiwurz: eine Fleischspezialität, laut Überlieferung von unvergleichlicher Zartheit... wohl, weil auf dem Höhepunkt der Lust vom Körper getrennt.”
Autorin: Uta Jugert
Der Text von Uta Jugert ist während einer Schreibaktion in den Räumen von Kunst Transit Berlin entstanden. Mit einem Augenzwinkern entfaltet die Autorin frei flottierend ihre Phantasie zu dem phantasmagorischen Kunstwerk Madzimas. Ihre Interpretation der „Human Pupa“ gleicht einem Spiel mit der Idee der Metamorphose, die der Bildhauer in Stein geformt hat.
Madzima, ein Künstler mit außergewöhnlichen Einfällen und Positionen, nennt seine Skulptur „Human Pupa“, das könnte heißen: Puppe im Larvenstadium zum Menschen. Die Puppe ist laut Brockhaus ein „Entwicklungsstadium der Insekten, ein Ruhezustand, in dem das Tier, in einer festen Haut liegend, die vollkommene Verwandlung von dem Zustand der Larve zum ausgebildeten Insekt“ vollzieht. Die Libelle z. B. verwandelt sich vom Ei in eine im Wasser lebende Nymphe und Puppe, um am Ende als ausgewachsenes Tier mit schillernder Schönheit zu beeindrucken.
Der Mensch im Puppenstadium erscheint noch als Organ, einseitig körper- und erdgebunden („bondage“). Was aus ihm während der Metamorphose wird, bleibt offen. Im „Artefakt“ des Künstlers und in unserer Einbildung ist alles möglich: ein Paradies mit Helden, die die Erdgebundenheit hinter sich lassen wollen, ein Reich, dessen Charakteristikum „Steinzeitdelikatessen“ sein mögen oder ganz andere Welten, die das Spektrum menschlicher Vielfalt mit Schöpfertum, neuen Erfahrungen und Erkenntnissen bereichern.
Michael Drechsler
Uta Jugert ist Kommunikationsdesignerin und Schreibpädagogin und arbeitet als freie Art-Direktorin und Dozentin an der Berliner Technischen Kunsthochschule. Sie ist Autorin der Texte zu den Kunstwerken der Monate August 2012 und Januar 2013.